Haushaltsrede der FDP-Fraktion

Sehr geehrter Herr Bürgermeister,

Sie verabschieden sich also von Ihrem über Jahre durchgehaltenen Versprechen, es brauche keine Steuererhöhung. Viele Jahre lang hat sich Wachtberg die niedrigsten Hebesätze im ganzen Rhein- Sieg-Kreis geleistet und über die Ratsperiode 2016 bis 2020 mehr als 10 Mio. Euro Verlust gemacht. Nun aber dieses Jahr Ihr Vorschlag, auf 650 Punkte Grundsteuer B zu springen, immer noch unterhalb des Kreisdurchschnitts. In der letzten Hauptausschusssitzung demgegenüber die Entscheidung, dass wir mit der Grundsteuer von 695 Punkten nun doch immerhin auf den Kreisdurchschnitt gehen. Nach FDP-Überzeugung ist es ein Grund für tiefes Bedauern, dass die Gemeinde den Bürgern mehr Geld aus der Tasche ziehen muss. Es ist aber ehrlich, und wir stimmen zu.

Die andere für die Gemeinde wichtige Steuer ist die Gewerbesteuer. Mit der nun aber, anders als bei der Grundsteuer, über den Kreisdurchschnitt hinauszugehen, finden wir im Vergleich der beiden nicht richtig. Die Gewerbesteuer trifft nicht wie die Grundsteuer alle, die gemeindliche Leistungen nutzen und auch nicht alle, die selbständige Geschäftsleute sind, sondern eben nur Gewerbe- treibende. So die selbständigen Handwerker, nicht die Angehörigen der freien Berufe.

Bei beiden Hebesätzen müsste im Übrigen noch begründet werden, warum überhaupt der Kreisdurchschnitt der Referenzpunkt für Wachtberg sein soll.

Was kommt nun dabei raus? 2022 werden 4 Mio. Euro mehr Steuereinnahmen erzielt als 2021. Und dennoch planen Sie für die laufende Ratsperiode bis 2025 weiterhin Verluste von 10 Mio. Euro, also genauso viel wie in der letzten Wahlperiode! Dafür werden Kassenkredite aufgenommen und Gemeindevermögen an die Banken übergeben! Zusätzlich stört der jedes Jahr bis 2025 geplante Posten Globaler Minderaufwand, der die Klarheit der Haushaltsplanung mindert.

Mit dem Wegbuchen von Covid-Aufwand und mit dem Globalem Minderaufwand vermeidet die mittelfristige Planung den Schwellenwert zur Haushaltssicherung bis 2024, jedoch nicht mehr 2025. Wie soll man diese Entwicklung einordnen? Ihr Bild von der Zukunft scheint in der Übergabe Ihrer Verantwortung an einen Sparkommissar der Bezirksregierung zu liegen, Herr Bürgermeister! Das zuzulassen, wäre von Seiten des Gemeinderats das Eingeständnis der Unfähigkeit, unsere Verhältnisse selber zu ordnen, eigentlich das Versagen vor der Aufgabe, wegen der wir hier sitzen. Die FDP wird da nicht mitmachen.

Wenn wir Steuern erhöhen - umso mehr müssen wir die Ausgaben prüfen. Ja, die Belastung durch Transfers wächst. Der Anteil der Transfers am gesamten Aufwand ist über Jahre gestiegen, mit Schwankungen von um 40% auf um 44%. Das ist keine so überproportionale Steigerung, dass wir die

Wachtberger Haushaltsprobleme vornehmlich dem Kreis zuschieben könnten. Wir finden es jedenfalls gut, dass die Bürgermeister gemeinsam dem Landrat die Belastungen durch die Kreisumlagen deutlich machen. Aber der Gemeinderat entscheidet da nicht mit.

Wir müssen die Ausgaben umso genauer betrachten, über die wir selber entscheiden – und da gibt es Potential. Einige Beispiele:

Aufbauorganisation. Wir können uns den Personalaufbau letztes und dieses Jahr von zusammen 16 Planstellen (Beamte und Beschäftigte ohne Sozial- und Erziehungsdienst/Azubis) nicht leisten! Davon elf in der Inneren Verwaltung! Geht es bei zwei neuen Stellen im Ordnungsamt um mehr Strafzettel für Falschparker? Wir zweifeln daran, dass die Wachtberger das Personal für höheren Kontrolldruck finanzieren wollen. Es darf nicht einfach nur die Feststellung von Mehrbedarf und dann die Bedarfsdeckung auf Kassenkredit geben!

Ablauforganisation. Sie führen, Herr Bürgermeister, ‚Bürgermeister vor Ort‘-Veranstaltungen durch, die Ihre direkte Kommunikation mit den Bürgern ermöglichen. Wenn das gut ankommt, in Ordnung – bitte machen Sie dann aber Vorschläge für Veränderungen bei den Ortsausschüssen, damit wir Doppelstrukturen vermeiden und sparen.

Neue Zuständigkeiten. Das betrifft die vielen überlappenden Kooperationsformate auf dem Feld von Regionalentwicklung, Energiewende, Naturschutz. Wir müssen auch mal verzichten, wo Bürgergruppen und Kreis die Gemeinde als Dienstleister für neue Aufgaben sehen, und dürfen engagierte Bürger an deren Autonomie und Eigenverantwortung erinnern.

Digitalisierung. Der Qualitätsgewinn im Bürgerservice ist wichtig. Die Digitalisierung soll aber auch Verwaltungsabläufe vereinfachen und den Personalbedarf für Routinetätigkeiten vermindern.

Übererfüllen von Standards. Warum haben Sie letztes Jahr Eltern zu 100%, und nicht wie überall sonst nur zu 50% von OGS-Gebühren befreien wollen? Das ist ein extensives Verständnis von Gerechtigkeit zulasten des Gemeindehaushalts, das wir nicht teilen!

ÖPNV. Die FDP-Fraktion unterstützt die Verbesserung des ÖPNV-Angebots in Wachtberg ausdrücklich. Wir müssen aber auch beim öffentlichen Verkehr Kosten und Zahl Nutzer vergleichen, um Übersubventionierungen zu vermeiden.

Investitionen Gebäude. Es ist fragwürdig, wenn Investitionen in energetische Sanierung so wenig Energie und CO2 sparen, dass sie betriebswirtschaftlich Verlustgeschäfte sind. Wir werden immer wieder auf Effizienz beim Einsparen von CO2 drängen!

Investition Kita Ließem. Sie kamen vor einem Jahr mit einem ‚Plan B‘ um die Ecke, der die geltenden Beschlüsse überholte. Jetzt wissen wir nach sicherlich aufwendigen Recherchen, dass der

ursprüngliche Plan der günstigste ist – das hätte auch eine überschlägige Wirtschaftlichkeits- betrachtung ergeben können.

Freiwillige Investitionen. Die Leichtathletikanlage stärkt auch das Schulzentrum. Die Sportprojekte Pumptrack und Fitnesspark sollen später folgen. Gut für die Gemeinde. Wir müssen dennoch fragen, wie schnell wir das Wünschenswerte umsetzen können, wenn unmittelbar Gefahren abwehrende Investitionen wie die in die Lüftung in Schulen dazwischenkommen. Die Abschreibungen belasten, wie auch Sie feststellen, Herr Bürgermeister.

Abschließend möchte ich feststellen: Sie haben gute Mitarbeiter. Wenn ich mal anrufe, erlebe ich kompetente und motivierte Ansprechpartner im Rathaus. Aber die machen nicht die Haushaltsstrategie. Wir halten die Vorlage eines auch nur irgendwie näherungsweise nachhaltigen Haushaltsplans für die zentrale Aufgabe Ihres Amts! Liebe Ratskolleginnen und -kollegen, ich hoffe, das sehen Sie genauso! Einem Haushalt 2022 mit Steuererhöhungen und dennoch ohne jede Perspektive auf Gesundung stimmt die FDP Wachtberg nicht zu.

Dankeschön.

Friedrich Oettler