FDP für wohlwollende Sicht auf Bauanträge - Skepsis gegenüber juristischen Argumenten beim Versagen von Befreiungen

Immer wieder ist bei der Beurteilung von Bauanträgen im Planungsausschuss die Frage, wie im Einzelfall richtig zwischen dem Beharren auf dem ursprünglichen Inhalt von Bebauungsplänen und dem Genehmigen von Abweichungen abzuwägen ist. Die geltenden Regeln sollen einheitlich angewendet werden, um Präzedenzfälle zu vermeiden, auf die sich andere Antragsteller für weitere Abweichungen berufen könnten. Es sollen vor allem nicht diejenigen im Nachteil sein, die sich von vornherein buchstabengetreu an die Vorgaben halten. Andererseits kann nach § 31 Abs. 2 BauGB von den Festsetzungen eines Bebauungs- planes befreit werden, wenn die ‚Grundzüge der Planung nicht berührt‘ werden, die‚Abweichung städtebaulich vertretbar‘ sind und ‚nachbarliche Interessen‘ gewürdigt werden. Auf die Prüfung dieser Bedingungen kommt es an - wenn sie erfüllt sind, gibt es keinen Grund, Abweichungen vom Bebauungsplan abzulehnen. Bei zwei Anträgen im Planungsausschuss am 22.11.2022 kamen wir von der FDP zu einem anderen Prüfergebnis als Gemeindeverwaltung und Ausschussmehrheit.

Im einen Fall hatte einer der Einzelhändler im Einkaufszentrum Berkum beantragt, seine Verkaufsfläche um 1,7% (von 930 m2 auf 946 m2) zu erweitern – von außen vollkommen unsichtbar, da nur innen eine Wand zu einem Lagerraum versetzt werden sollte. Gemeinde- verwaltung und Ausschussmehrheit lehnten das aus Gründen ab, die mit Einzelheiten früherer Genehmigungsverfahren zu tun haben. Wir waren der Meinung, hier werden einem Geschäftsbetrieb wegen zu enger Anwendung von Regeln unnötig Steine in den Weg gelegt. Die FDP-Vertreterin Jessica Reinbold stimmte also für die Genehmigung der geringen Vergrößerung.

Im zweiten Fall ging es um die Absicht, eine Tiefgarage unter einem bestehenden Einfamilienhaus zu bauen, und zwar über die Kontur des Hauses hinaus auch unter einem Teil des Gartens, von außen nicht zu sehen. Die Verwaltung war der Meinung, wegen der Nähe zur Grundstücksgrenze könnte der Rhein-Sieg-Kreis ein Problem mit vorgeschriebenen Abständen feststellen – deshalb sollte der Ausschuss lieber auch gleich ablehnen. Aber warum sollten wir dem Kreis eine Ablehnung in den Mund legen, wenn wir keinen handfesten Grund sehen? Die FDP-Vertreterin Jessica Reinbold stimmte für die Genehmigung.

Jessica Reinbold und Friedrich Oettler, FDP-Fraktionsvorsitzender, meinen: ‚Wir sehen unsere Aufgabe darin, aus der lokalen Anschauung wohlwollend zu beurteilen, ob Befreiungsanträge die feststehenden Bedingungen einhalten. Wir sehen unsere Aufgabe nicht darin, vorauseilend juristische Verfahrensfragen in der Zuständigkeit des Rhein-Sieg- Kreises zu beurteilen und schon im Ausschuss in Wachtberg lieber abzulehnen als zu genehmigen.‘